BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

PRAXIS

 

Im letzten Satz des Hokyo Zanmai steht: „Verberge die Praxis und stelle dich dumm.“ Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass man sich nicht als Weiser darstellen soll. Man sollte seine Praxis nicht so darstellen, als wäre man stolz auf sie. Es ist eine Aufforderung zur Demut. Seine Praxis zu verbergen heißt, nicht stolz auf seine Verwirklichung zu sein.

Manche Leute machen sehr viel Samu. Aber am Ende werden sie stolz auf ihre Arbeit und fangen an, andere zu kritisieren, die weniger gut Samu machen. In diesem Moment wird Samu zu eine Anhaftung, ein Gegenstand des Stolzes, was natürlich das Gegenteil der wahren Praxis ist. Oder manche Menschen sind intelligent und studieren viele Sutras. Sie haben den Eindruck, gewisse Dinge tief verstanden zu haben, und meinen, sie könnten sie den anderen erklären. Sie halten sich für weise aufgrund ihres Wissens über den Buddhismus, aber das ist nicht die wahre Weisheit.

Es geht nicht darum, seine Weisheit und sein Erwachen zu verbergen. Aber man darf nicht daran festhalten, sondern muss realisieren, dass das Dharma grenzenlos und unendlich ist. Selbst wenn man glaubt, etwas verstanden oder erreicht zu haben, gibt es immer etwas, das darüber hinaus geht. Der Weg ist immer viel weiträumiger, als man realisieren kann. Angesichts dieser grenzenlosen und unendlichen Dimension des Weges und des Dharma kann man nur demutsvoll demgegenüber sein, was man verwirklicht zu haben glaubt. Das ist die Schlussfolgerung des Hokyo Zanmai und auch dieses Mondos.

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Wie kann man die Glut des Anfangs bewahren?

Zu Beginn der Zazen-Praxis praktiziert man für sich selbst. Man freut sich, die Praxis entdeckt zu haben, die Praxis tut einem gut. Das ist unsere prinzipielle Motivation. Wenn man diese Motivation beibehält, wird die Praxis auf Dauer etwas Begrenztes. Es ist wichtig, so schnell wie möglich die Bodhisattva-Dimension zu entdecken und die Praxis jenseits dessen zu praktizieren, was sie einem bringt. Das heißt, in der Freude zu praktizieren, die Praxis mit anderen zu teilen. Das wird die tiefe, ewige, unendliche Motivation

Besteht ein Zusammenhang zwischen der Länge der Zeit, die man Zazen praktiziert und der Tiefe mit der man - was auch immer - verwirklicht? Wenn man sich andere Zen-Schulen anschaut, so gibt es da welche, die machen zehn, zwölf Stunden Zazen am Tag.

Die Verwirklichung hängt von der Qualität des Sitzens ab, nicht von der Dauer. In manchen Traditionen sitzt man dreizehn oder vierzehn Stunden, aber die Leute sind nicht in der Haltung konzentriert, sie sitzen wie sie wollen, und es fehlt an der notwendigen Qualität der Wachsamkeit, damit die Zazenpraxis wirklich befreiend wirken und es zu einem Erwachen kommen kann. So zu sitzen führt nur zu Ermüdung. Buddha hat nie diese Art von Praxis empfohlen, sondern immer den mittleren Weg.

Wenn man praktiziert, bedarf es meiner Meinung nach jedoch einer Mindestdauer, damit die geistige Aufgeregtheit sich beruhigen kann. Es ist aber nicht erforderlich, die Dauer exzessiv zu verlängern. Weder für ältere Schüler, noch für Anfänger.

Aber es ist wichtig, oft zu praktizieren. Wenn möglich täglich und wenn möglich, morgens und abends, so daß das Zazen unseren ganzen Alltag durchdringen kann und daß es einen Kreis gibt, von Zazen zu den Phänomenen des Alltags und wieder zu Zazen und wieder zu den Phänomenen des Alltags, so daß Zazen nichts Außergewöhnliches ist, das man nur einmal in der Woche macht der während eines Sesshins.

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In welchem Verhältnis steht Quantität und Qualität der Zen-Praxis zur Quantität und Qualität aller anderen Dinge oder Tätigkeiten im täglichen Leben?

Eine Mindestquantität an Praxis ist notwendig, damit die Praxis Qualität hat. Das heißt zum Beispiel, wenn du beschließt, jeden Tag Zazen zu machen, aber jeweils nur fünf oder zehn Minuten praktizierst, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Qualität dieser Praxis nicht sehr hoch ist. Einfach weil man dem Geist in fünf oder zehn Minuten nicht genug Zeit gibt, sich zu beruhigen und zu klären.

Zu Beginn des Zazen hat der Geist unweigerlich noch Spuren des täglichen Lebens, genauso wie die Oberfläche eines Sees unruhig ist, wenn der Wind geweht hat. Aus diesem Grund muss eine Zazen-Periode eine gewisse Dauer haben, damit die Aufgeregtheit sich legen kann. Im Durchschnitt dauert eine Sitzung zwischen dreißig und vierzig Minuten, nicht weniger als dreißig Minuten.

Bei einem Sesshin häufen sich die Anzahl der Zazen-Perioden auf vier pro Tag, was ich für eine gute Quantität halte, weil sich dabei Zazen und das tägliche Leben vermengen. Morgens gibt es eineinhalb Stunden lang Zazen, die folgenden eineinhalb bis zwei Stunden sind dem Essen, dem Samu und den Unterweisungen im Dojo gewidmet, danach folgt wieder Zazen. Das Gleiche spielt sich nachmittags ab.

Dabei verwirklicht sich ganz natürlich eine Einheit zwischen Zazen und dem täglichen Leben. Man lernt, nach dem Zazen weiter mit dem gleichen konzentrierten, beobachtenden und klaren Geist zu leben. Dieser könnte verloren gehen, wenn zuviel Zeit zwischen den Zazen-Perioden liegt. Es ist wichtig, einen guten Rhythmus zu finden.

Selbst wenn ihr nicht ständig wie auf einem Sesshin praktizieren könnt, ist es wichtig, dass ihr einen regelmäßigen Rhythmus in der Praxis findet. Buddha Shakyamuni meinte zum Beispiel, dass alle Mönche mindestens zweimal täglich Zazen und Kinhin praktizieren müssten, einmal morgens nach dem Aufstehen und einmal abends vor dem Schlafengehen. Das war die Mindestpraxis für einen Mönch. Ich halte diesen Vorschlag für sinnvoll. Buddha sagte nicht, dass man den ganzen Tag über Zazen machen muss, sondern jeden Morgen und jeden Abend, so dass der Tag von Zazen eingerahmt wird. Ich halte dies für eine richtige Praxis, eine harmonische Praxis, bei der Zazen und das tägliche Leben sich vermengen und harmonisieren.

Manchmal gibt es in Tempeln zu bestimmten Zeiten viel intensivere Praxisperioden, besonders die, die man Rohatsu-Sesshin nennt und die vom ersten bis achten Dezember stattfinden. Das ist ein äußerst schwieriges Sesshin, bei dem ungefähr fünfzehn Stunden lang am Tag Zazen praktiziert wird. Da ist die Zazen-Quantität beachtlich. Die Menschen, die daran teilnehmen, hoffen, dass sich durch diese Quantität die Qualität ihres Zazen vertiefen würde. Vielleicht stimmt es, aber ich finde, dass dies zwanghaft ist und große willentliche Anstrengung erfordert, um trotz allem durchhalten zu können. Man neigt dazu, mit sich selber in einen Wettkampf zu treten. Aber um für sich dazu eine Antwort zu finden, muss man die Erfahrung selbst machen.

Was man vermeiden muss, ist, eine Art gierigen Geist gegenüber der Praxis zu entwickeln. Gerade wenn die Praxis hier und jetzt keine ausreichend gute Qualität erreicht, wenn man in Zazen nicht schnell konzentriert ist, ist man nicht in der Lage, seine Gedanken rasch fallen zu lassen. Folglich ist man mit der Praxis nicht zufrieden und sagt sich: „Wenn ich nur länger praktizieren könnte, wäre mein Zazen bestimmt besser. Es wäre von höherer Qualität.“ Dann will man immer mehr und mehr.

Ich glaube nicht, dass es in Zazen um eine Frage der Quantität geht. Man kann am Tag fünfzehn Stunden praktizieren und sich dabei ständig mit seinen Gedanken beschäftigen, mit dem Wunsch, die Erleuchtung zu erlangen, und Ähnlichem.

Loslassen geschieht im Augenblick. Es ist nichts, was sich am Ende von mehreren Stunden der Praxis ereignet. Das ist die wahre Qualität der Praxis.

Dafür ist eine minimale Quantität nötig, wie ich es zu Anfang gesagt habe, aber man muss nicht unbedingt ständig die Anzahl der Zazen-Perioden erhöhen wollen. Man muss ein Gleichgewicht finden zwischen der Quantität und der Qualität.

Aber ein Punkt erscheint mir noch als sehr wichtig: Das Hishiryo-Bewusstsein ist das Bewusstsein jenseits des Geistes, der misst. Shiryo ist der Geist, der misst, der berechnet, der vergleicht: ‚viel oder nicht viel’, ‚lang oder kurz’. Es ist der berechnende Geist. Hishiryo ist jenseits dieses berechnenden Geistes, jenseits von zu langen oder zu kurzen, von wenigen oder vielen Zazens, jenseits dieser Zeitbegriffe. Es geht um die Frage der Qualität des Bewusstseins in jedem Augenblick.

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Wenn jemand nach ein paar Jahren der Praxis ein gewisses Verständnis des Dharma erlangt hat, das es ihm ermöglicht hat, sich mit dem Dasein besser zu harmonisieren, und er dadurch ein glücklicheres Leben führt, freue ich mich für ihn. Aber wenn er vor lauter Zufriedenheit in seiner Praxis stagniert und sie vernachlässigt, frage ich mich, wie ich sie stimulieren kann.

Das hängt davon ab, ob die Person als Bodhisattva, Mönch oder Nonne ordiniert wurde. Wenn das der Fall ist, dann muss man ihr die Bodhisattva-Gelübde in Erinnerung bringen. Man praktiziert Zazen nicht, um in einen persönlich zufrieden stellenden Zustand zu kommen. Wenn man wirklich tief Zazen praktiziert, kann man sich nicht damit zufrieden geben, ein Leben zu führen, das keine Probleme hat. Denn wie ich schon seit Beginn des Sesshins sage, fühlt man sich viel solidarischer mit den anderen und hat mehr Mitgefühl mit ihrem Leiden. Also möchte man natürlich dazu beitragen, dieses Leiden zu erleichtern. Dafür muss man mit den anderen zusammen weiter praktizieren und seine Praxis vertiefen, so wie es den vier Gelübden der Bodhisattvas entspricht. In der Vertiefung der Praxis geht es nicht darum, sich selbst zu perfektionieren oder selbst ein angenehmeres Leben zu führen, sondern in die Richtung zu gehen, ein vollkommener Buddha zu werden, d.h. ein Buddha, der in der Lage ist, allen Wesen zu helfen.

Das ist keine moralische Verpflichtung. Man macht das nicht, weil man dem Willen Gottes oder Buddhas gehorcht, sondern es ist die natürliche Entwicklung der Praxis. Das Gelübde des Mit-gefühls ist nicht so wie im Christentum, wo Jesus gesagt hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Buddha hat nie gesagt: „Ihr müsst lieben.“, „Ihr müsst Mitgefühl haben.“. Er hat einen Weg unterwiesen, der auf natürliche Weise Mitgefühl und Wohlwollen erzeugt. Er hat die Praxis des Mitgefühls und die Gebote unterwiesen. Aber die Menschen, die dem Buddhaweg folgen, praktizieren sie nicht, um dem Gesetz Buddhas zu gehorchen. Denn das, was man im Buddhismus ‚das Gesetz‘ nennt, das Dharma, ist die Grundlage unserer eigenen Existenz, die Grundlage jeder Existenz.

Es ist also eine ganz natürliche Entwicklung, wenn man damit fortfährt, die Praxis zu vertiefen, zu wünschen ein Bodhisattva zu werden, der über mehr Fähigkeiten verfügt, den anderen zu helfen. Man kann nicht nur nicht mehr mit der Praxis aufhören, sondern man wünscht auch, sie mit den anderen und für die anderen zu vertiefen. Nicht als Verpflichtung aus religiösen oder moralischen Gründen, sondern einfach als eine natürliche Entwicklung des eigenen spirituellen Lebens.

Wenn die Leute in ihrer Praxis stehen bleiben, und sich mit einem gewissen Wohlbefinden zufrieden geben, das die Praxis ihnen gegeben hat – sie haben weniger Stress, sie haben mehr Weisheit, also geht es ihnen in ihrem Leben besser – bedeutet das, dass da etwas ist, das nicht realisiert worden ist. Sie machen Zazen mit noch zuviel persönlichem Bewusstsein, mit zuviel Ego.

Aber sie werden früher oder später ein Problem haben. Denn alles ist unbeständig. Selbst das Wohl-befinden, das man erlangt hat, dauert nicht ewig. Eines Tages wird etwas passieren - und sei es auch nur aufgrund dieses Rests von schlechtem, egoistischem Karma. Wenn diese Menschen eines Tages eine schwere Krise haben, Arbeitslosigkeit, Trennung, eine schwere Krankheit, schwindet ihr Wohl-befinden. Dann gibt es nichts mehr, das ihnen wirklich helfen kann, denn sie haben sich ja nur an das Wohlbefinden geklammert. Sie denken: ‚Das Leben ist uninteressant. Es ist nicht mehr lebens-wert.’ Sie verlieren die Hoffnung und wollen sich umbringen. Es ist also besser, nicht in diese Situation zu kommen.

Also muss man Bodaishin stimulieren. Bodaishin zu erwecken ist eine der wichtigen Aufgaben der Unterweisenden des Zen.

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Man sagt, dass wir alle miteinander verbunden sind und es keinen Unterschied gibt. Kann man dann sagen, wenn ich für die anderen praktiziere, praktiziere ich auch für mich selbst?

Ja, natürlich.

Ist es dann umgekehrt auch möglich zu sagen, dass ich, wenn ich für mich selbst praktiziere, für andere praktiziere?

Ja, beides ist nicht getrennt. Aber zu denken, du praktizierst für dich selbst, kann auf eine Anhaftung an dein Ego hindeuten. Dies würde bedeuten, dass du deine Praxis nicht wirklich verstanden hast. Wenn du glaubst, für das Ego der anderen zu praktizieren, zeigt das auch, dass du die Praxis nicht verstanden hast. Letztlich gibt es kein eigenes Ego und kein Ego der anderen. Am Ende gibt es nur die Praxis, und es ist die Praxis, die uns die Trennung zwischen uns und den anderen überwinden lässt.

‚Ich’ und ‚die anderen’ sind nur Gedanken und Vorstellungen, die wechselseitig abhängig sind, d.h. dass weder ‚ich’ noch ‚die anderen’ Substanz haben. Aber die anderen und ich, wir existieren in gegenseitiger Abhängigkeit. Wenn also der eine praktiziert, beeinflusst es den anderen. Praktiziert man jedoch mit einer Anhaftung ans eigene Ego oder ans Ego der anderen, bedeutet das, dass man mit einer bestimmten Illusion praktiziert. Dann ist diese Praxis nicht wirklich befreit, nicht wirklich erwacht, und ihre Auswirkung ist nicht so stark. Aber wenn du beim Praktizieren die Gedanken an ich und die anderen loslässt, ist deine Praxis wirklich von dieser dualistischen Illusion befreit. In diesem Moment wird sie richtig kraftvoll, weil sie eine zur Wirklichkeit erwachten Praxis wird. Dann hat sie die Kraft, dich selbst sowie die anderen zu befreien, als wäret ihr nicht getrennt.

 


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