BuddhaWeg-Sangha

Mitglied der Association Bouddhiste Zen d'Europe

Mitglied der Deutschen Buddhistischen Union

 

 

zurück zu

Fragen und Antworten

 

PROJEKTIONEN

 

Was passiert mit dem Spiegel in dem Moment, in dem die Abbilder verschwinden?

Weil der Spiegel ein Spiegel ist, können die Bilder verschwinden. Er behält die Bilder nicht. Wenn es sich nicht um einen richtigen Spiegel handeln würde, könnten die Bilder nicht verschwinden und blieben hängen. Es ist die Aufgabe des Spiegels, Bilder ziehen zu lassen. Wenn das Objekt vor dem Spiegel vorbeizieht, verschwindet das Abbild.

Man vergleicht oft den Geist in Zazen mit einem Spiegel. In Zazen ähnelt der Geist einem Spiegel, weil er die Bilder ziehen lassen kann. Sobald der Geist sich an Abbilder, Gedanken, Vorstellungen hängt, verschwindet der Spiegel. Das heißt, er funktioniert nicht mehr wie ein Spiegel und ist kein Spiegel mehr. Er funktioniert dann zum Beispiel wie ein Film, der die Bilder festhält und ist nicht mehr verfügbar, um ein Bild widerzuspiegeln.

Man muss mit Metaphern aufpassen, auch mit der Metapher des Spiegels. Was bedeutet sie in unserer Praxis? - Man darf sich nicht an die Substanz des Spiegels haften, sondern muss seine Aufgabe verstehen. Bilder wie das Bild des Spiegels werden nicht benutzt, damit man sich danach an den Spiegel klammert.

Warum benutzt man dieses Bild des Spiegels? Weil dieses Bild uns hilft, besser zu verstehen, wie unser Geist in Zazen funktionieren muss. Er funktioniert nicht immer wie ein Spiegel. Manchmal ist er wie ein trüber Spiegel, manchmal wie die Rückseite des Spiegels. Wenn man den Spiegel umdreht, wird nichts mehr reflektiert.

Warum stellst du diese Frage?

Weil heute morgen im Kusen das Bild des Spiegels und die Abbilder vorkamen. Dabei hast du gesagt, dass es kein Bewusstsein ohne Bewusstseinsinhalt gibt. Ich habe das so verstanden, dass das Bewusstsein der Spiegel ist, und die Bewusstseinsinhalte die Abbilder sind. Was passiert also mit dem Spiegel, wenn die Abbilder verschwinden?

Wenn die Abbilder verschwinden, gibt es keinen Spiegel mehr.

Kann man sagen, dass er dann der wahre Spiegel wird?

Nein. Man muss verstehen, dass der Spiegel kein Objekt ist. Es handelt sich um eine Aufgabe. Man benutzt das Wort „Spiegel“ als Symbol für eine Aufgabe, für die Aufgabe des Reflektierens. Wenn es kein Objekt mehr gibt, endet die Aufgabe. Das ist alles. Es gibt keine Substanz eines Spiegels, die ewig existiert, weil sie nicht etwas ist. Sie ist nicht objektiv, ist kein Objekt. Es ist die Möglichkeit etwas zu reflektieren, die ein Objekt benötigt, um sich zu manifestieren. Wenn es kein Objekt gibt, entsteht kein Spiegelbild und keine Aufgabe eines Spiegels. Der Spiegel an sich existiert nicht, er ist wie alles andere wechselseitig abhängig.

Gibt es eine Beziehung ohne Projektionen?

Zwischen Menschen, meinst du?

Ja, insbesondere zwischen einem spirituellen Lehrer und seinem Schüler.

Das ist schwierig, eine Beziehung ohne Projektion. Es gibt in Beziehungen immer ein paar Projektionen. Aber das wichtige ist, sich dessen bewusst zu sein und sich darüber klar zu werden, was man projiziert. Meiner Erfahrung nach gibt es leider immer einige Projektionen. Einer der wichtigen Aspekte einer Beziehung ist es, die Projektionen aufzuklären. Wenn man die Beziehung vertieft, kann man sich darüber einigen, was projiziert wird. Zum Beispiel kann es sich am Anfang einfach um gefühlsmäßige Anhaftungen handeln, aber auch um Projektionen von Idealen, des spirituellen Ideals vielleicht, das man in sich selbst trägt. Man neigt dazu, es in jemand anderem wieder erkennen zu wollen, der dann die Stütze des Ideals wird.

Es ist wichtig, dies zu erkennen, um letztlich zu erkennen, was zu uns gehört. Was man projiziert, kommt von einem selbst. Also ist es wichtig, es wieder zu finden. Das ist genau die Aufgabe des Meisters als Spiegel, die es einem ermöglicht zu erkennen, was man projiziert hat, was man aus sich selber auf den anderen projiziert hat. Aber wenn der Meister sich für die Projektionen hält, wird es schlimm. Wenn er sich zum Beispiel für einen idealen Meister hält oder für den idealen Liebhaber, dann wird es sehr gefährlich.

Anstatt eine Beziehung ohne Projektionen zu erhoffen, sollte man die Beziehung eher dazu nutzen, um die Projektionen aufzuhellen. Ein wenig gilt das Gleiche für Zazen. Man kann sich ein ideales Zazen erhoffen, wie ein lebendiges Nirvana, ohne Gedanken, ohne Zweifel, ohne Sorgen, ohne Hirngespinste, ohne alles. Man kann sich dann sagen: „Was für ein tolles Zazen!“ - Ein derartiges Zazen existiert fast nicht. Es ist ein Ideal.

Aber Zazen ist genau die Gelegenheit, um all diese mentalen Projektionen zu beobachten, all seine Gedanken, Illusionen und ihre Wesensart zu beobachten. Das ist dem Erwachen viel näher als ein Zazen ohne alles. Es ist besser ein Zazen zu haben, bei dem man seine Illusionen erhellt, weil dies ermöglicht, sich wahrhaft von seinen Illusionen zu befreien, sich zu lösen. Aber ein Zazen, das völlig nirvanahaft ist, währenddem nichts passiert, ist für den Moment erquickend: ‚Ah, endlich, in Friede. Das tut gut.’ Aber danach tauchen die Phänomene wieder auf, und man ist aufs Neue mit seinen Anhaftungen konfrontiert. Wenn die Phänomene in Zazen erscheinen, stören sie offensichtlich das Zazen, aber genau dann kann man sie umwandeln, indem man sie erhellt durch die Konzentration in Zazen, indem man sie anders als gewöhnlich betrachtet.

Gewöhnlich sind wir von unseren Illusionen eingenommen. Wir haben nicht einmal die Gelegenheit, die Illusionen zu erkennen. Wir sind mittendrin, wir werden mitgezogen. In Zazen bewegen wir uns nicht und lassen einfach das Bewusstsein das erhellen, was passiert. Das hat ein Loslassen zur Folge. In diesem Moment ist das Aufklären der eigenen Illusionen befreiend und man kann nach dem Zazen eine andere Sichtweise haben. Wenn man stattdessen während Zazen überhaupt nicht gedacht hat, ist man vielleicht ausgeruht, es geht einem besser, aber danach muss man wieder anfangen sich mit seinen Illusionen zu konfrontieren. Man hat keine wahre Weisheit verwirklicht.

Das Gleiche gilt für eine Beziehung ohne Projektionen. Man kann sagen, dass es sich um ein Ideal handelt, aber es lehrt uns nichts. Wenn du dir jedoch erlaubst, deine Gefühle, deine Ideale, auf die Beziehung mit deinem Meister zu projizieren - natürlich unter der Bedingung, dass du beobachtest, was da in dem Moment in der Beziehung passiert - kannst du erwachen, kannst du etwas lernen, kannst du über das hinausgehen, was deine Projektionen oder Illusionen bewirkt. Es ist wichtig, in diesem Umwandlungsprozess der Bonnos zu sein. Im Zen nennt man das bonno soku bodai: die Bonnos selbst sind das Satori – natürlich unter der Bedingung, dass man sie erhellt. Bonno soku bodai bedeutet nicht, dass Bonnos und Satori das Gleiche sind. Da gibt es eine Bedingung.

Kontakt   Juristischer Hinweis